Guide Uhrzeiger: am Puls der Zeit
Man sagt, das Zifferblatt sei das Gesicht einer Uhr – und ihre Zeiger sind natürlich ein wesentlicher Bestandteil. Dennoch werden sie erstaunlich oft übersehen, obwohl die Uhr ohne sie gänzlich ihren Nutzen verliert. Schliesslich geht es doch darum, die Zeit ablesen zu können, oder nicht?
Verborgene Talente
Meistens ist der einzige Luxus, den man den Zeigern zugesteht, dass sie “skelettiert” oder “lumineszierend” sind. Was soll’s? Diesen wahrhaftigen kleinen Helfern der Zeit wird nicht genug Aufmerksamkeit zuteil, da ihre Rolle so offensichtlich erscheint. Die Marken, die sie entwerfen und produzieren, sind dem breiten Publikum nahezu unbekannt. Sie heissen Universo (Swatch Group, einer der europäischen Marktführer für Swiss Made), Aiguilla SA, Estima, Fiedler (die älteste Marke weltweit, gegründet im Jahr 1848), Waeber HMS oder auch GVA Montres. In Frankreich wäre das in Morteau ansässige Unternehmen La Pratique zu nennen, während MPI eine Vielzahl asiatischer Zeiger liefert. Niemand kennt sie, denn sie sind an Geheimhaltungsverträge gebunden. Obendrein sind die grossen Sammler auf zahlreiche Personalisierungen erpicht – nicht jedoch auf die Zeiger!
Eine jahrhundertealte Geschichte
Noch vor einem Jahrhundert war der Zeiger ein eigenständiges dekoratives Element, genauso wie die Indexe, die Krone oder andere Elemente, die man heute unter dem Begriff “Habillage” zusammenfasst.
Die Zeiger der Taschenuhren und der ersten Armbanduhren waren sehr kunstvoll gearbeitet. Die meisten von ihnen wurden “Kathedralenzeiger” genannt, weil die vielen mit Radium gefüllten Zwischenräume an die Buntglasfenster der heiligen Gebäude erinnerten. Heute wird Radium nicht mehr verwendet, aber Kathedralenzeiger sind immer noch besonders beliebt bei Neuauflagen, die sich an den 20er bis 40er Jahren orientieren (siehe z. B. die 5524G Calatrava Pilot Travel Time).
Mit dem Ersten Weltkrieg erhielt die Uhr wieder eine Gebrauchsfunktion und der Zeiger folgte ihr, um bei allen Lichtverhältnissen sichtbar zu sein. Er wurde breiter, manchmal mit quadratischem Ende, damit er in grossen Serien leichter gestanzt und gefüllt werden konnte. Der Zweite Weltkrieg bestätigte diesen Trend und es sollte bis in die 50er und 60er Jahre dauern, bis der ästhetische Faktor wieder an Bedeutung gewinnt.
Von der Dauphine- bis zur Schwertform
In diesen beiden Jahrzehnten entstanden die typischsten Uhrennadelprofile, die den Markt noch heute strukturieren. Die bekannteste Nadelform (die du womöglich trägst, ohne dir dessen bewusst zu sein): die Dauphine. Eine zarte Spitze, kein Gegengewicht, ein abgeschrägtes Profil, das ein Polieren und/oder Super-LumiNova ermöglicht: Die Dauphine ist das ästhetische Markenzeichen der Uhren der 50er und 60er Jahre und heute vor allem bei Hublot zu finden. Ihre breitere Ausführung wird als Schwertform bezeichnet, wie man sie bei Cartier oder, in noch ausgeprägterer Manier, auf dem Sekundenzeiger der SuperOcean Heritage von Breitling findet. Ihre schlankste Ausführung wird “Bâton”, Stabzeiger, genannt. Hierbei handelt es sich um ein einfaches, gerades, reliefarmes und extrem minimalistisches Segment – meist bei Marken, die nicht weniger minimalistisch sind, wie Nomos, Chanel oder, etwas verspielter, Hermès.
Das andere, weit verbreitete Profil ist der Lanzett- oder Blattzeiger. Eine schlanke Spitze, die an den Hüften etwas ausladender wird, bevor sich der Zeiger zur Kanone hin wieder verjüngt, an der er befestigt ist: Kein Zweifel, die Blattform ist den weiblichen Rundungen nachempfunden! Sie verleiht den Uhren einen überaus schlanken, zarten und schwungvollen Charakter und verschafft ihnen eine gewisse Anmut. Man findet sie unter anderem bei Frederique Constant .
Markenzeichen
Mehrere Uhrmacher haben dennoch Zeigerprofile gebaut oder verwendet, die sie sich nach und nach angeeignet haben. Der bekannteste Vertreter ist Breguet mit seinen durchbrochenen “Pomme”-Zeigern. Die von Hand gebläute Nadel, die in einem leeren Kreis endet, ist ein Identitätsmerkmal der Manufaktur. Selbst wenn der Zeiger mit dem ausgehöhlten Apfel mittlerweile zum Gemeingut gehört, ist und bleibt er ein “Breguet-Zeiger”. Andere Marken wie Urban Jürgensen verwenden diese nahezu systematisch.
Parallel dazu haben einige Häuser nicht ihr eigenes Zeigerprofil, sondern ein einzigartiges Gegengewicht entwickelt: das “B” von Breitling , das "H" von Hublot ,die Flocke bei Montblanc, das T bei Tissot, die Cobra auf der Capeland Shelby von Baume & Mercier, der Stern von Zenith, das Alpendreieck von Alpina oder sogar eine Flugzeugsilhouette bei Bell and Ross ! Es gibt viel zu entdecken!
Weniger identitätsstiftend, aber genauso einprägsam: der “Snowflake”-Zeiger. Das Bild der quadratischen Schneeflocke bleibt ein Mysterium – zugegeben, quadratische Schneeflocken begegnen einem nicht oft –, eine Marke hat sie sich jedoch zum Erkennungszeichen gemacht: Tudor. Dasselbe gilt für die “Herz”-Zeiger, die die Anfänge von Speake-Marin prägten und die auf der letzten Reine de Naples von Breguet zu finden sind, oder für den seltenen “Serpentin”-Zeiger, wie man ihn noch bei Jaquet Droz antrifft. Ebenso bemerkenswert ist der von Oris geliebte, äusserst seltene “Pointer Date”-Zeiger, der in einen roten Halbmond (oder Dreieck) ausläuft und fast ausschliesslich von der Hölsteiner Manufaktur verwendet wird. Bei den “Unabhängigen” entwickelte Louis Moinet die “Tautropfen”-Zeiger, die zu seinem ganz eigenen Markenzeichen geworden sind.
Selbst wenn die neuesten Smartwatch-Modelle auf Zeiger verzichten können, ist ihre Zeit noch längst nicht abgelaufen!